Liebe Freundinnen und Freunde der IBA’27,
knapp zwei Jahre nach dem Start der Projektsammlung hat die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) einen wichtigen Schritt vollzogen: Ende Juli 2020 konnten wir die 13 ersten offiziellen IBA’27-Projekte vorstellen, weitere folgen in den kommenden Monaten und Jahren. Mit der Benennung dieser Projekte wird die Geschichte erkennbar, die die IBA’27 erzählt. Der rote Faden ist die produktive Stadt mit dicht bebauten und lebendigen Quartieren.
Die ersten Projekte machen zudem das Wesen der IBA’27 als Prozess sichtbar. Die IBA »kommt« nicht 2027 in die Region Stuttgart – IBA ist schon jetzt. Wir veranstalten keinen Schönheitswettbewerb, bei dem am Ende die zehn hübschesten Häuser eine Medaille bekommen. Es geht vielmehr um die gemeinschaftliche Suche nach neuen Wegen in die Zukunft des Bauens. Dabei verstehen wir als IBA-Team uns als Partner der Projektträgerinnen: Wir vernetzen und unterstützen, inspirieren und liefern Ideen, hinterfragen kritisch, schaffen Öffentlichkeit und machen Mut.
Wie so oft führt nur ein guter Weg sicher auf den hohen Gipfel. Die jetzt benannten ersten IBA’27-Projekte sind bereit, gemeinsam mit der IBA die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Die Stadt Backnang beispielsweise, die kürzlich für das Quartier Backnang West einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb ausgeschrieben hat, hat mit der IBA’27 ein neues Verfahren zur Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer getestet – und stieß auf riesige Resonanz. Die Gemeinde Salach hat sogar ein bereits laufendes Verfahren für das künftige Quartier Mühlkanal unterbrochen, um mit der IBA’27 und drei internationalen Architektur- und Landschaftsarchitekturteams noch einmal grundsätzlich den Städtebau zu klären, der jetzt Grundlage für einen Bebauungsplan ist.
Vorbildliche Planungsprozesse stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Neben internationalen Wettbewerben gehören dazu auch Bürgerbeteiligungsformate, die weder Wunschkonzert noch Nimby-Plattform sind, sondern eine ernst gemeinte bürgerschaftliche Begleitung des gesamten Planungs- und Bauprozesses, von den ersten Ideen bis zum Bezug. Dass es mit guten Ideen und guter Steuerung gelingen kann, mit den Menschen vor Ort lustvoll Zukunft zu gestalten, das wollen die aktuell gestarteten Beteiligungsverfahren zur Leonhardsvorstadt Stuttgart und zum Postareal Böblingen beweisen.
Das alles erfordert Mut, Geduld, Zeit – und Flexibilität. Denn über die Jahre werden sich die Rahmenbedingungen immer wieder ändern, manchmal unerwartet drastisch, wie wir aktuell durch Corona lernen. Aber auch außerhalb akuter Krisen gilt: »Stadt« ist nie fertig, sondern permanent im Wandel. Wir brauchen also Städte und Häuser, die sich anpassen: Parks, die bei Starkregen zu Überflutungsflächen werden. Parkhäuser, die heute vielleicht noch benötigt werden, die später aber zu Wohnungen, Büros, Kulturorten werden. Wohnungen, die wachsen und schrumpfen, je nach Lebensphase. Bis hin zu Baumaterialien, die sich selbst an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen, wie sie die Universität Stuttgart mit ihrem Adaptiven Demonstrator-Hochhaus nun erprobt.
2027 wollen wir Bauwerke zeigen, die regional wie international relevant sind, daran wird man uns richtigerweise messen. In diesem Sinne ist die IBA auch eine Leistungsschau der Architektur. Es geht dabei aber nicht um Lifestyle-Häuser oder vermeintliche Leuchttürme, mit denen wir kurzfristig die internationale Kulturagenda erobern. Es geht vielmehr um widerstandsfähige Gebäude, Quartiere und Städte, die auch in eine weite Zukunft hinein ihre Stärke behalten und Antworten auf konkrete Herausforderungen und Themen dieser Region liefern. Ich bin fest davon überzeugt, dass gute Architektur aus guten Prozessen entsteht, aus Konsens und der Offenheit gegenüber künftigen Anforderungen. Am Ende sind es daher vielleicht vor allem die Verfahren, die die IBA’27 stark machen – und hinter dem technischen Wort Verfahren steht ja nichts anderes, als der zielorientierte Dialog mit Fachleuten verschiedener Disziplinen, den Menschen vor Ort und Ihnen.
Ihr
Andreas Hofer
Intendant